Kriminalkomödie

Was verbindet Komödie und Krimi und was trennt sie?
Von Drehbuchautor: Hartmann Schmige
Vor ungefähr 12 Jahren bekam ich von den Produzenten Althammer, Kließ und
Willschrei (damals Chefs der Borussia Media Berlin, Monaco Film München, Odeon
Film Frankfurt) das Angebot, für die gerade in Arbeit befindliche neue Serie „Wolffs
Revier“ eine Folge zu schreiben. Es blieb nicht bei einer Folge. Anscheinend hatte
ich ins Schwarze getroffen. Die Produzenten, zu der Zeit intensiv auf der Suche nach
neuen Autoren, fassten daraufhin den Entschluss, nach erfahrenen
Komödienautoren Ausschau zu halten.
Komödienautoren? Ja, es war ihnen nämlich aufgefallen, dass ich, von einigen
Fernsehfilmen abgesehen, die Kriminalfälle behandelten (ohne allerdings das übliche
Whodunit zu bedienen), hauptsächlich Komödien geschrieben hatte. Die Überlegung
war, wer Komödien schreiben kann, der kann womöglich auch Krimis schreiben. So
abwegig war der Gedanke nicht. Bestes Beispiel ist Billy Wilder, der als Autor und
Regisseur in beiden Genres großartige Werke geschaffen hat.
Was verbindet nun Komödie und Krimi? Die Konstruktion. Beide brauchen ein
straffes Handlungsgerüst und überraschende Wendungen und beide sind stark an
bestehende Konventionen gebunden, die man variieren und aufbrechen kann, immer
vorausgesetzt, man beherrscht sie. Die Idee der Produzenten war also nicht
schlecht, hat dann aber doch nicht so richtig funktioniert. Nicht jeder Komödienautor
ist automatisch auch ein Krimiautor und umgekehrt. Der Grund hierfür scheint mir in
der Behandlung der Charaktere zu liegen.
Viele Komödien (keineswegs alle!) leben von den stereotypen Verhaltensweisen ihrer
Protagonisten. Eine bestimmte Verhaltensweise , sei es Tollpatschigkeit, Eifersucht,
Geiz, Naivität, Brutalität etc. bestimmt allein ihr Verhalten. Die Charaktere haben
keine Brüche. Das fing mit den Slapsticks der Stummfilmzeit an, setzte sich in den
Screwball Comedies des Tonfilms fort und findet sich bis heute, etwas abgemildert,
auch in den sogenannten Gesellschaftskomödien .
Stereotype und Klischee
Was aber in der Komödie die Stereotype ist, die zum Erfolg wesentlich beiträgt, das
ist im Krimi das Klischee, das oft der Grund für dessen Scheitern ist. Im Krimi werden
an die Glaubwürdigkeit der Personen höhere Anforderungen gestellt, sie sind stärker
an die Realität gebunden als ihre Kollegen in der Komödie.
Zwar muss auch dort der Ausgangspunkt für die dann turbulente Handlung
glaubwürdig, also realistisch sein. ( Was bringt Jack Lemmon und Tony Curtis in
„Some like it hot“ auf die groteske Idee in Frauenkleider zu schlüpfen? Sie sind
Zeuge eine knallharten Massakers der Mafia geworden und müssen nun unerkannt
untertauchen.) Ist das aber erst einmal gesetzt, ist die Bahn frei für alle möglichen
aberwitzigen Situationen, in denen stereotypes Verhalten sich austoben kann. Und je
eindimensionaler sich die Personen verhalten um so komischer finden wir sie und wir
glauben ihnen alles was sie tun. Im Krimi ist das tödlich. Hier sind eindimensionale
Menschen langweilig und ihre Handlungen werden vorhersehbar. Die Krönung aller
Komödien sind allerdings die, in denen es dem Autor gelingt komische Situationen
mit realistischeren, also nicht durchweg stereotypen Charakteren zu verbinden und
ins Tragischkomische vorzustoßen. Hierzu gehört Billy Wilders und
I.A.L. Diamonds großartiges Drehbuch zu „The Apartment“, einer komischen aber
auch bitterkomischen Geschichte, die sogar einen ernstgemeinten
Selbstmordversuch zeigt. Zu Recht bekamen die beiden Autoren hierfür einen Oscar.
Die Schwierigkeit für reine Komödienautoren ins Krimifach zu wechseln, liegt also
darin, sich von dem zu lösen was die beiden Genres nicht nur verbindet, sondern
auch trennt, und das ist wiederum die Konstruktion. Beide leben zwar von ihr, aber in
der Komödie diktiert sie den Protagonisten die Handlung während im Krimi der
Charakter die Handlung bestimmen muss. Krimis, die von der Dramaturgie der
Komödie leben, sind oft überkonstruiert und daher unglaubwürdig.(Ausnahme
„Columbo“. Dazu später mehr.) Es gibt mittlerweile viel zu viele Actionkrimis, in
denen die Figuren in andauernd neue Verfolgungsjagden und Schießereien
verwickelt werden ohne dass es hierfür einen anderen Grund gibt als den, die
erwünschte Quote zu erreichen. Die Figur hechelt dem Plot hinterher, sie gestaltet
ihn nicht. Aber nicht nur die Geschichte, auch der Charakter muss spannend sein.
Bleibt einer davon auf der Strecke, tut es auch der Film.
Humor kann man nicht lernen
Autoren wiederum, die von Haus aus Krimiautoren sind und ins Komödienfach
wechseln wollen, haben ein noch größeres Problem. Humor kann man nicht lernen.
Er muss einem in die Wiege gelegt sein und dieses Talent muss später in Kindheit
und Jugend gefüttert und weitergebildet werden. Daher sind all die Bücher, die das
Handwerk des Drehbuchschreibens lehren, für Komödienautoren nur begrenzt
nützlich.
Auch scheint mir Deutschland nicht gerade der geeignete Ort zu sein, um mit Humor
aufzuwachsen. Der Deutsche liebt vor allem Witze, Witze die immer über andere
gemacht werden. Aber eine Lebenseinstellung, die sich selbst nicht so bierernst
nimmt und die den Widrigkeiten des Lebens auch durch Humor trotzt, scheint uns
lebensfremd zu sein. Ganz anders bei den Angelsachsen. Jedem, der einmal in
England oder den USA war, wird aufgefallen sein, dass sich die Menschen dort gern
selber auf die Schippe nehmen. Es macht ihnen Spaß ihre eigene Person ins
komische Licht zu rücken, etwas was man in Deutschland nur selten erlebt. Humor
ist dort, auch jenseits des Witzeerzählens, Teil der Kultur.
Wir hatten bei uns allerdings einmal den jüdischen Humor, der die
Unzulänglichkeiten unseres Lebens auf der Erde unnachahmlich ironisch, bissig und
auch komischfatalistisch aufs Korn nahm. Aber die, die ihn pflegten, haben wir ja
entweder umgebracht oder ins Ausland vertrieben, womit wir wieder bei Billy Wilder,
aber nicht nur bei ihm, wären.
Kommissar Gutmensch
Wenn ich eben davon sprach, dass die Gestaltung der Charaktere im Krimi mit
Brüchen versehen sein muss, so muss ich das für Serien und Reihen, in denen
Kommissare auftreten, leider wieder einschränken, allerdings nur in Bezug auf die
Kommissare. Eine der ersten Regeln dort lautet: „Wir dürfen unseren Helden nicht
beschädigen“, was nichts anderes bedeutet, als dass die Kommissare alle im Grunde
gute Menschen sind, integer, gerecht, gesetzestreu, moralisch sauber. Sie können
ihre kleinen Macken haben, auch mal missgelaunt oder aggressiv sein, aber bitte in
Maßen und vor allem keine dunklen Charaktermerkmale, die womöglich Sympathien
beim Zuschauer kosten könnten.(Ausnahme: Schimanski). Nun haben aber alle
Menschen auch ihre dunklen Seiten, die gerade in Extremsituationen zum Vorschein
kommen können. Bei unseren Kommissaren im deutschen Fernsehen ist das nicht
der Fall, leider. Man gibt da etwas aus der Hand, was die jeweilige Geschichte noch
tiefgründiger machen könnte. Aber es geht nicht. Der deutsche Kommissar und
natürlich seine mittlerweile verstärkt auftretenden Kolleginnen müssen
Respektpersonen sein, zu denen der Zuschauer aufblicken kann. Alles Dunkle und
Abseitige bleibt den „Bösen“ vorbehalten.
Früher konnte man wenigstens im Einzelspiel schillernde Kommissare zeigen, die
auch mal die Grenze des Erlaubten überschritten. In meinem TV-Krimi „Rotlicht“
(1992) spielte Helmut Zierl, ein Garant als Sympathieträger, einen Kommissar, der
einen Gangster mit weißem Kragen zur Strecke bringen will, immer wieder scheitert
und allmählich zu einem fanatischen Jäger mutiert, der sich schließlich kaum noch in
seinen Methoden von seinem Gegenspieler unterscheidet.( Etwas ähnliches, sogar
noch extremer, vollbrachte der Autor Norbert Ehry mit seinem sehr kontrovers
aufgenommenen Fernsehfilm „Amok“ 1992)
Dem Zuschauer hatte „Rotlicht“ gefallen. Was die Wiederholungen anbelangt, so hat
sich der Film, übrigens hervorragend inszeniert von Michael Lähn, zu einem
Dauerbrenner entwickelt. Trotz des Erfolges bleiben Filme dieser Art die Ausnahme.
Sie sind wohl im Zeitalter der Quote zu riskant geworden
Der Kommissar ganz privat
Wenn der Kommissar also in der Regel stets sauber bleiben muss, wie kann man ihn
dann interessant machen und aus dem rein recherchierenden und routinemäßigen
Agieren („Wo waren Sie gestern um 22Uhr15?“) lösen? Indem man ihn emotional in
den Fall hineinzieht. Es darf ihm nicht nur darum gehen zu klären, wer denn nun von
den üblichen Verdächtigen der Täter war. Der Fall muss ihn innerlich bewegen. Nur
so erfahren wir etwas über sein Seelenleben. Mittlerweile gibt es aber einen
Überhand nehmenden Trend, der dieses Problem auf andere Weise zu lösen
versucht, indem man das Privatleben der Kommissare in die Handlung einbezieht.
Kommissar Wolff, der als Alleinerziehender sich um seine Tochter Verena kümmern
muss, war damals, als die Serie entstand, untypisch. Jetzt wird der Kommissar als
Privatmensch allmählich zum Standard.
Natürlich lernen wir mit diesem Hilfsmittel den Kommissar oder die Kommissarin
besser kennen, aber diese Methode, wenn überstrapaziert, kann zum einen dazu
verleiten, den interessanteren Aspekt, wie enthüllt sich das Innenleben des
Kommissars im Zusammenprallen mit dem jeweiligen Fall, zu vernachlässigen und
zum anderen kann die zu intensive Beschäftigung mit dem Privatleben schnell auf
Kosten der Spannung gehen. Zudem droht ein Typ Kommissar, wenn der Trend zur
Regel werden sollte, verloren zu gehen. Der Kommissar als geheimnisvolle Figur,
über dessen Leben außerhalb des Falles wir nur spekulieren können. Er tritt aus dem
Unbekannten hervor, löst den Fall und entschwindet wieder ins Unbekannte. Er liegt
nicht wie ein offenes Buch vor uns. Er behält einen Rest Geheimnis für sich. Der
Kommissar als Projektionsfläche unserer Fantasien, das habe ich immer reizvoll
gefunden. Hoffentlich bleibt und dieser Kommissar erhalten.
Die Komik im Krimi
Komik im Krimi kommt bei uns viel zu selten vor und geht über die mehr oder
weniger witzigen Frotzeleien, vor allem wenn zwei Kommissare zusammen agieren,
nicht hinaus. Hier ist man viel zu puristisch. Dabei ist sie als Atempause zwischen
spannenden Szenen sehr gut aufgehoben. In amerikanischen Filmen oder Serien
wird dieses Stilmittel, das auch beim Zuschauer sehr gut ankommt, viel öfter genutzt.
Man nennt es dort „comic relief“ und wird auch in Horrorfilmen, in denen der
Zuschauer sich ja hauptsächlich gruseln soll, eingesetzt. Eine spannende oder
gruslige Szene wirkt jedoch noch viel stärker wenn sie sich von einer
vorangegangenen komischen Szene abheben kann.
Der nächste Schritt ist dann der Übergang zur Kriminalkomödie, ein Zwitter dessen
Beherrschung einiges Geschick verlangt. Sie muss genug von dem haben, was sich
in den reinen Krimis findet, also spannend sein, andererseits muss sich die
Spannung immer wieder in Gelächter auflösen. In der Kriminalkomödie gibt die
Komödie den Ton an. Der Krimi liefert nur den Plot und das Handlungsgerüst, auf
denen die Komödie dann ihre Pirouetten dreht. Da hier auch das Unwahrscheinliche
möglich ist und vom Zuschauer gerne akzeptiert wird, ist die Überkonstruktion der
Handlung kein Fehler, sondern geradezu Vorraussetzung für das Gelingen. Hier
können gar nicht genug Leichen aus dem Schrank fallen, vorausgesetzt es sind
immer die falschen, mit denen man nicht gerechnet hat .
Columbo
Hier fügt sich alles wunderbar zusammen. Spannung und Humor gehen eine
glückliche Ehe ein. Obwohl viel geschmunzelt und auch gelacht werden darf,
handelt es sich bei den jeweiligen Folgen nicht um Kriminalkomödien. Es sind Krimis,
allerdings mit einem kräftigen Schuss Humor. Der Anfang ist zwar zunächst
überkonstruiert. Was die Mörder sich da alles einfallen lassen, wie sie ihre Opfer am
besten umbringen können und wie sie es anstellen um anschließend das perfekte
Alibi zu präsentieren, das ist im Grunde schon ziemlich abwegig und jenseits des
„normalen Verbrechens“. Sicher gäbe es auch einfachere Möglichkeiten die Tat zu
begehen. Aber die Mörder in „Columbo“ sind keine Mörder wie man ihnen sonst in
den Krimis begegnet. Es sind geniale Mathematiker des Verbrechens, die den Mord
akribisch auf dem Reißbrett planen ehe sie zur Tat schreiten. Nie würde man ihnen
auf die Schliche kommen, wenn es nicht den penetranten, schlitzohrigen und seinen
hohen IQ geschickt verbergenden Inspektor Columbo geben würde.
Nach der überkonstruierten Exposition geht es dann so weiter wie man es aus den
realistischen Fällen kennt, allerdings mit der wichtigen Einschränkung, dass wir als
Zuschauer den Täter bereits kennen. Die Spannung ergibt sich nun aus der Frage
wie Columbo es schafft, das scheinbar todsichere Alibi zu knacken. Columbo ahnt
nun bald wer es gewesen sein muss und konzentriert sich auf diesen einen
Verdächtigen. Es gibt also nicht mehrere Spuren, denn das wäre für den Zuschauer
recht langweilig, wenn er mit ansehen müsste wie der Inspektor Leuten hinterher
recherchiert, von denen wir wissen, dass sie mit der Tat nichts zu tun haben.
Wie Columbo nun dem Mörder in seiner unnachahmlichen Art auf den Pelz rückt ,
wie er ihn mit ständigen Nachfragen nervt und allmählich in die Ecke treibt, das ist für
den Täter furchtbar unangenehm, für den Zuschauer aber sehr vergnüglich.
Columbo ist als Krimi gut und Columbo ist als Komödie gut. Mehr kann man nicht
erreichen. Chapeau!

Hartmann Schmige – 04. September 2003